Kinder: Kontrukteure nachhaltiger Bildung
Was hat ein Kindergarten mit der Finanzkrise oder Klimawandel zu tun? Oder anders formuliert: Was kann ein Kindergarten gegen weltweite Krisen in Umweltfragen, Wirtschaft und Finanzwelt tun? Nichts, meinen Sie? Das sieht die UNESCO anders! In diesem Jahr wurde im Rahmen der Bildungsmesse „didacta“ in Köln ein bayerischer Waldkindergarten für seine Leistungen im Bereich „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgezeichnet.
Die Jury entschied sich für die „Waldkinder-Regensburg“ aufgrund von ökologischen, ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten. Dass ein Waldkindergarten Kindern eine besondere Naturverbundenheit ermöglicht, leuchtet ein. Aber was ist ansonsten so herausragend zukunftsweisend an diesem Waldkindergarten? Vernünftig wirtschaften mit allen Ressourcen – dieser Grundsatz des Regensburger Waldkindergartens schließt neben Dingen aus der Natur auch Finanzen mit ein.
Ökologie, Ökonomie und soziales Denken im Kindergarten
Besonders herausgestellt wurden aber die alltäglichen Bemühungen des Kindergartens, die Kinder vor allem im Hinblick auf deren soziale Fertigkeiten zu fördern. Dass dies den Regensburger Waldkindern hervorragend gelingt, zeigt bereits eine weitere Auszeichnung der „Waldkinder“:
Als einziger Waldkindergarten neben 25 Hauskindergärten ist dieser „Walderlebnisraum für Kinder“ Konsultationseinrichtung im Bundesland Bayern. Diese Ernennung bedeutet, dass der Waldkindergarten die Ziele des Bildungs- und Erziehugsplanes besonders gut umsetzt und als Beispieleinrichtung gilt.
In der Praxis sieht diese beispielhafte pädagogische Arbeit dann so aus: Am Morgen treffen sich alle Waldkinder nach einem ersten Fußmarsch vom Treffpunkt in das zugewiesene Waldgebiet gemeinsam im Kreis. Dort wird besprochen, welche Wünsche die Kinder zur Gestaltung des jeweiligen Tages haben. Das demokratische Instrument der Mitbestimmung wird bei den Waldkindern in Regensburg sehr ernst genommen. Das kann dann schon einmal ungewöhnliche Folgen haben.
Ein Beispiel aus der Praxis
Vor einigen Wochen bestanden die Kinder darauf, statt der Erzieherinnen selbst auf den vorhanden Hockern aus Holzstämmen im Morgenkreis sitzen zu dürfen. Zuerst versuchten die Erzieherinnen zu argumentieren und für einen „fürsorglichen Umgang“ mit den Erwachsenen zu werben. Nach und nach jedoch entstand eine anfangs humorvolle Diskussion über den Nutzen und die Notwendigkeit von Erwachsenen im Kindergarten.
Bald formulierten die Kinder, dass sie eigentlich die Erwachsenen nicht bräuchten und ihren Tag allein verbringen könnten. Die Erzieherinnen gingen schließlich – zumindest im Rahmen ihrer Möglichkeiten – auf den Wunsch der Kinder ein. Sie gaben den Kindern noch Verhaltensregeln für den Notfall an die Hand und zogen sich dann in den Bauwagen zurück, wo sie die Kinder durch die Fenster den Vormittag über beobachteten. Nun starteten die Kinder ihren Versuch, autonom zu sein.
Die Kinder organisierten den kompletten Tagesablauf, einschließlich einer gemeinsamen Brotzeit. Sie kümmerten sich um die kleineren Kinder. Diese wurden fürsorglich zur Komposttoilette gebracht, abgeputzt und wieder angezogen. Selbst an das Hände waschen danach wurde gedacht.
Kinder waren mit Ihrer Leistung zufrieden
In einer Abschlussrunde, die jeden Tag zur Reflexion des Tages dient, beschrieben die Kinder stolz ihre Leistungen und auch ihre Hemmungen und Schwierigkeiten an diesem Tag. Für alle war diese Aktion eine aufregende und lehrreiche Erfahrung. Wochen später greifen die Kinder noch darauf zurück, indem sie sich viele Kleinigkeiten selbst zutrauen und bestimmte Abläufe im Tag eigenständig organisieren.
Dies ist nur ein kleines Beispiel aus dem bewegten Alltag dieser Waldkindergartengruppe. Selbstverständlich gibt es auch dort im Normalfall einen geregelten Alltag. Aber die Regeln sind überschaubar und werden von den Kindern mitbestimmt und akzeptiert. So gibt es z. B. besondere Regelungen im Umgang mit Werkzeug. Denn dieses brauchen die Kinder im Wald auf alle Fälle, da sind sich alle einig.